Weshalb ist die Lokalisation so schwierig? Störung der neuronalen Migration, bisher keine einfachen Gentests vorhanden, unterschiedliche Morphologien

Bedingt durch die embryonale Migration der neuronalen Vorläuferzellen zeigen die distalsten Zentimeter des Gastrointestinaltraktes physiologischerweise eine heterogene Architektur und enthalten auch beim gesunden Menschen eher wenige Ganglien. Bei Morbus Hirschsprung sind die diagnostischen Charakteristika einer gesteigerten Acetylcholinesterase-Aktivität der Nervenfasernetze der Muscularis mucosae von distal nach proximal/ oralwärts zunächst zunehmend und dann wieder abnehmend ausgebildet. Die maximale Steigerung der Acetylcholinesterase-Aktivität der Nervenfasernetze der Muscularis mucosae und Muscularis propria ist beim ‚klassischen’ Morbus Hirschsprung etwa ab 3-4cm ab ano ausgebildet. Da zusätzlich zur biologisch anatomischen Variabilität auch die chirurgische Entnahmetechnik um ca. 1-2cm variieren kann, werden daher  für eine optimale Aussage zur Abklärung auf Morbus Hirschsprung Rektumschleimhaut-Stufenbiopsien von 1, 2, 4 und 8cm ab ano empfohlen. Solche Rektumschleimhaut-Stufenbiopsien liefern eine integrale Information über den Verlauf der Acetylcholinesterasereaktion in Relation zum Abstand vom rektoanalen Übergang und sichern somit die Erfassung der diagnostisch entscheidenden Zone.

Beachtenswert ist der topographische Verlauf der Acetylcholinesterasereaktion bei den Spezialformen des Morbus Hirschsprung. Insbesondere müssen die Befunde bei Ultrakurzem Morbus Hirschsprung und bei der totalen Aganglionose des Kolons vom klassischen Morbus Hirschsprung abgegrenzt werden. Beim klassischen Morbus Hirschsprung reicht das aganglionäre Segment bis in den rektosigmoidalen Übergang respektive das Sigma. Dies betrifft mit etwa 75% die grosse Mehrzahl der Patienten. Bei etwa 5% der Patienten ist lediglich der ganz distalste Abschnitt unmittelbar rektoanal und der ersten 3-4 Zentimeter des Rektums betroffen, und es liegt lediglich ein Ultrakurzer Morbus Hirschsprung vor. Die Steigerung der Acetylcholinesterasereaktion ist beim Ultrakurzen Morbus Hirschsprung nur in der Muscularis mucosae und in der Submucosa nachweisbar. Bei der totalen Aganglionose des Kolons reicht die Aganglionose bis zur Ileozeokalklappe. Die Befunde der Rektumschleimhaut zeigen wie beim klassischen Morbus Hirschsprung eine Steigerung der Acetylcholinesteraseaktivität in den Nervenfasernetzen von Muscularis mucosae und in der Lamina propria mucosae, die nach oralwärts abnimmt und nur bis ins Colon descendens reicht. Im Colon transversum ist keine Acetylcholinesteraseaktitvität zu entdecken.  Erst im Ganglienbesiedelten Dünndarm ist wiederum eine Acetylcholinesteraseaktivität nachweisbar.

Zwar finden sich bei einigen Patienten  mit Morbus Hirschsprung genetische Veränderungen, doch sind etwa ein Dutzend Gene beteiligt, und es existiert keine einzelne dominierende Mutation, die in einer einfachen genetischen Analyse gesucht werden könnte, sodass gegenwärtig weiterhin die Rektumschleimhautstufenbiopsie den Goldstandard der Diagnose beim Morbus Hirschsprung darstellt.